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„Musiktherapie im Gesundheitswesen: Gewünscht, gelobt, aber nicht bezahlt – Wie der Staat und das Gesundheitswesen die Verantwortung an private Vereine und Freiwillige abschiebt“

Autorenbild: Dietmar ElslerDietmar Elsler

Aktualisiert: 6. Jan.

 



Politik: Profis im ignorieren!

Manchmal frage ich mich, ob die Verantwortlichen im öffentlichen Gesundheitswesen einfach taub sind. Taub für die leisen Töne einer Gitarre, die ein Frühgeborenes beruhigen. Taub für das Lächeln eines dementen Seniors, der dank eines alten Liedes für einen Moment wieder in seiner Welt ankommt. Taub für die unzähligen wissenschaftlichen Studien, die klar und deutlich belegen:


Musiktherapie wirkt. Punkt.

 

Trotzdem wird die Finanzierung dieser nachweislich wirksamen Therapieform in vielen Ländern Europas – und besonders in Italiensystematisch auf private Vereine, Freiwillige und Non-Profit-Organisationen abgewälzt. Das ist nicht nur kurzsichtig, das ist eine absolute Bankrotterklärung der Gesundheitspolitik.

 

Musiktherapie: Wissenschaftlich belegt, politisch ignoriert

 

In Europa hat Musiktherapie längst ihren Platz in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Rehabilitationszentren gefunden.

Die wissenschaftliche Evidenz ist überwältigend, und trotzdem scheint das öffentliche Gesundheitswesen zu glauben, Musiktherapie sei ein nettes „Goodie“ – ein Extra, das man sich leisten kann, wenn am Ende des Jahres zufällig noch Geld im Budget übrig ist.

 

Italien: Ein Lehrstück in Heuchelei

 

In Italien sieht die Realität so aus:


  • Musiktherapie wird in weniger als 20 % der Krankenhäuser regelmäßig angeboten.

  • In den meisten Fällen wird sie von privaten Vereinen, Non-Profit-Organisationen und Spenden finanziert.

  • Über 80 % der Musiktherapie-Programme basieren auf Projektverträgen und zeitlich begrenzten Finanzierungen.

  • MusiktherapeutInnen müssen als Freiberufler arbeiten mit den damit verbundenen Risiken, sie müssen in den meisten Fällen für den Kauf der Instrumente mit eigenen Mitteln aufkommen und tragen die volle Verantwortung für Bruch, Verlust oder Diebstahl. Sozialversicherung, Rentenversicherung und Krankenversicherung lasten ebenso auf den Schultern der MusiktherapeutInnen da fixe "normale" Arbeitsverträge nicht existieren! Ebenso tragen wir die gesamten Kosten und das Risiko für unser Auto, wenn wir ambulant zu den Klienten nach Hause fahren, von einer Fahrtzeitvergütung brauchen wir erst gar nicht zu sprechen.

 

Ein aktueller Bericht der Associazione Italiana Professionisti della Musicoterapia (AIM) bestätigt: Obwohl die positiven Effekte von Musiktherapie allseits anerkannt sind, gibt es kaum strukturelle Finanzierung durch den Staat. Stattdessen werden Projekte von selbstlosen Freiwilligen getragen – von Menschen, die ihre Zeit und Energie investieren, um das zu tun, was eigentlich die Aufgabe eines funktionierenden Gesundheitssystems wäre: die Finanzierung der Musiktherapie zu gewährleisten. Ein Shoutout und meinen vollsten Respekt an diese Menschen, die ehrenamtlich, kostenlos und in ihrer Freizeit diese wichtige Arbeit leisten!!

 

Und das ist die bittere Wahrheit: Musiktherapie wird gewünscht, eingesetzt und sogar gefeiert, aber niemand will dafür zahlen.

 

Private Vereine: Die stillen Helden eines kaputten Systems

 

Es sind private Vereine und Non-Profit-Organisationen, die in diesem Chaos die Kohlen aus dem Feuer holen. Menschen, die in ihrer Freizeit Spenden sammeln, Veranstaltungen organisieren und ihre eigenen Ressourcen opfern, um Musiktherapie-Projekte am Leben zu erhalten.

  • Sie leisten Pionierarbeit in Krankenhäusern und Pflegeheimen, in Einrichtungen und Vereinen.

  • Sie übernehmen finanzielle und organisatorische Verantwortung, die der Staat einfach abschiebt.

  • Sie schaffen konkrete Möglichkeiten und Fakten, während sich die Politik in endlosen Debatten verliert.

 

Aber wie lange kann das so weitergehen? Wie lange können Freiwillige und Vereine noch die Verantwortung tragen, die eigentlich in die Hände des Staates bzw. der lokalen Politik gehört?

 

Die Politik schweigt – und das ist ein Skandal

 

Es reicht nicht, dass Politiker in Pressekonferenzen die Wirkung von Musiktherapie loben und lächelnd auf Studien verweisen. Es reicht nicht, dass ein Krankenhausdirektor in die Kamera sagt, wie toll das letzte Musiktherapie-Projekt war. Da wird die Musiktherapie immer wieder gerne hergenommen, wenn es darum geht, sich mit fremden Federn zu schmücken. Was zählt, ist: Wer bezahlt am Ende die Rechnung?

 

Die Lösung ist klar:


  1. Musiktherapie muss gesetzlich als anerkannte Therapieform im nationalen Gesundheitssystem verankert werden.

  2. Die Finanzierung darf nicht länger auf die Schultern von Freiwilligen und Vereinen abgewälzt werden.

  3. Musiktherapeut*innen verdienen angemessene Bezahlung, langfristige Arbeitsverträge und berufliche Sicherheit.

 

Fakten, Zahlen und Quellen

...damit nicht wieder jemand sagen kann, die Behauptungen wären aus der Nase gezogen... das kennen wir doch, nicht wahr, liebe KollegInnen??


  • WHO-Bericht „Health Evidence Network Synthesis Report“ (2019): Musiktherapie verbessert nachweislich die psychische und physische Gesundheit in klinischen Umgebungen.

  • AIM (Associazione Italiana Professionisti della Musicoterapia): 80 % der Projekte in Italien werden privat finanziert.

  • Europäischer Musiktherapie-Verband (EMTC): Musiktherapie wird europaweit zunehmend anerkannt, jedoch bleibt die Finanzierung oft lückenhaft.

 

Schlusswort: Musik ist Medizin, aber Medizin kostet Geld

 

Musiktherapie ist kein Luxus, kein Extra und schon gar kein nettes Freizeitangebot. Sie ist eine wissenschaftlich anerkannte, therapeutische Maßnahme mit enormem Potenzial.

 

Dass das öffentliche Gesundheitswesen sich weigert, für diese Therapieform Verantwortung zu übernehmen, ist nicht nur enttäuschend – es ist eine politische und moralische Bankrotterklärung.

 

Solange Musiktherapie weiterhin von privaten Vereinen und Freiwilligen getragen wird, ist jeder Applaus vonseiten der Politik und des öffentlichen Gesundheitssystems nichts als scheinheilige Heuchelei.

 


 

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